Projekt 3. Juli 1957  
   

Seit ihrer Erfindung steht die Fotografie mit der Erinnerung in engem Zusammenhang. Ihre starke Bindung an Licht und Materie scheint sie zur Zeugin zu prädestinieren. Fotografien können Erinnerungen auslösen. Eine starker Glaube an die „Objektivität“ des technischen Mediums kann aber auch dazu führen, dass die inneren Bilder auf die Fotografien hin abgeglichen werden. Für die Erinnerung spielt die Fotografie somit eine ambivalente Rolle. Sie kann den Prozess anregen aber auch einengen.

Erinnerung ist nichts Vergangenes, sondern ein kreativer gegenwärtiger Prozess ist, dessen Intention sich häufig sogar auf eine Zukunft bezieht. Die Auswahl des Erinnerten aus der Gesamtheit des Erlebten, Wertungen, Färbungen, Gefühle, die diesen Prozess ausmachen, dienen der Orientierung und Identifikation. Innere, er-innerte Bilder speisen sich aus verschiedensten Quellen, bleiben variabel und können wechselnde Seinszustände abbilden, eine Fähigkeit, die dem klassischen Erinnerungsfoto abgeht.

Ausgangspunkt der Arbeit „was bleibt“ (1996) war die Erfahrung, dass fotografische Erinnerungsbilder von bestimmten Menschen oder Situationen mit meinen eigenen Erinnerungen nach einiger Zeit nicht mehr in Einklang zu bringen waren. Hier hatte ich einen Weg gesucht und gefunden meine Fotografien in einen Zustand zu versetzen, die sie dem Prozess des Erinnerns und Vergessens wieder zugänglicher machten. Was Fotografien zu fehlen schien, war die Fähigkeit zu Vergessen. Doch ich entdeckte sie in der fotografischen Schicht: Viel Licht färbt sie auf eine Weise Schwarz, dass unser Auge keine Information mehr lesen kann. Dennoch speichert die Schicht die Information. Ein sanfte Bleichlösung lässt sie dämmern: Erinnerung.

Mit „3. Juli 1957“ entwickelte ich eine Serie von Bildern deren Inhalte – obwohl der Titel dies nahelegt – sich nicht auf explizite, entschlüsselbare Vorkommnisse zurückführen lassen. Bilder einfacher Gesten und Zeichen werden mit solchen komplexerer Vorgänge kombiniert. In Ihrer Dunkelheit sind die Bilder oft nicht gleich lesbar. Erst Konzentration und ausreichendes Umgebungslicht lassen sie deutlicher werden. Die Motive und deren Zusammenstellung ist so gewählt, dass sie – unterstützt durch die Mühe, die es macht sie zu lesen – als Kristallisationspunkte für eigene Erinnerungen des Betrachters dienen können.

 

   
3. Juli 1957, 1996-2001
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