Projekt "100 Freunde"  
   

Nach fast einhundert Jahren visueller Massenmedien ist die „Wirklichkeit“ der Bilder mindestens so bedeutsam geworden, wie die anderer Realitäten. Sie informieren uns, bestimmen unser „Weltbild“, manipulieren uns. Das ist Konsens. Und Heerscharen von Kunstlehrern bemühen sich um visuelle „Alphabetisierung“ ihrer Schüler. Dennoch lesen wir im Alltag nicht all zu viele Bilder – weil das viel mehr Zeit kostet, als wir gemein hin zur Verfügung haben. Aber Bilder entfalten ihre Wirkung auch ohne explizit verstanden zu werden.

Eine spezielle Sorte von Bildern, die ich nicht ohne größere Anstrengung lesen kann, weil Sie direkt auf mein Begehren abzielen, sind erotisische Werbebilder. Die ersten Bilder nackter Menschen habe ich als Kind im Versandhauskatalog gesehen. Ich war fasziniert welche Verwirrung die Bilder mit Unterwäschewerbung in mir auslösen konnte und musste sie immer wieder ansehen. „100 Freunde“ begann als lustvoller Aneignungsprozess: Mit der Reprokamera fotografierte ich die Gesichter von Modellen aus Sex- und Erotikwäschekatalogen. Ausschnitt und Kopfhaltung orientieren sich am klassischen Porträt. Die Fotografie ist unvollkommen, unscharf und an einigen stellen lasse ich Spuren des Rasters sichtbar. Ihrer Körper, der Reizwäsche und damit ihrer Funktion als Werbeträger beraubt, scheinen die Modelle etwas von Ihrer Persönlichkeit zurückzuerhalten. Jede, jeder bekommt einen Namen, eine Vornamen, der Intimität verspricht. Doch das ist eine Finte. Bei längerem Hinsehen wird wieder nur ein Typus sichtbar. Die Übertragung von Erinnerungen, Wünschen, Urteilen und Lust halten nicht, brechen entzwei und lassen den Betrachter wieder allein. Was bleibt ist die fotografische Oberfläche.

   
100 Freunde , 1997/98
 
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